Was ist tonale Balance?

Januar 23, 2023 | Know-how

Indem wir dir aufschlüsseln, was wir als tonale Balance bezeichnen, lernst du in diesem Artikel, wie und warum es Sinn macht, Audiosignale über das ganze Frequenzspektrum hinweg auszubalancieren.

Beim Mixen und Mastering von Musik sind konkrete Ziele oft erstaunlich schwierig zu definieren. Sobald wir wissen, wie wir die Stereobreite, Lautheit und einen EQ kontrollieren, bleibt die Frage „welches Ausmaß ist richtig?“. Musik, die wir als „gut produziert“ bezeichnen, zeichnet sich immer auch durch ihre tonale Balance aus: Die Verteilung von Energie über die gesamte Breite des Frequenzspektrums.

Tonale Balance (auch spektrale Balance) kann zu einem sehr großen Teil mit einem guten Paar Ohren beurteilt werden. Wollen wir jedoch verstehen, warum und wie tonale Balance funktioniert, lohnt es sich genauer hinzusehen. Aus diesem Grund gibt es visuelle Analysetools wie true:balance, mit denen wir genau sehen können, wie sich ein Track über das gesamte Frequenzspektrum hinweg zusammensetzt.

 

true:balance zeigt die typische Verteilung eines Genres im Vergleich zu einem Eingangssignaltrue:balance zeigt die typische Verteilung eines Genres im Vergleich zu einem Eingangssignal

Tonale Balance verstehen

Alle Klänge nehmen ihren Anteil im Frequenzspektrum ein; mit einer Grundfrequenz, die dem Klang seine (dominante) Tonhöhe gibt und mit charakteristischen Obertönen, die in anderen Bereichen des Frequenzspektrums platziert sind.   

Da ein Track aus einer Mischung aus Klängen besteht, die übereinandergeschichtet sind, kreieren all diese kombinierten Frequenzen ein bestimmtes akustisches Profil. Tonale Balance ist also einfach die Verteilung von Energie über das gesamte Frequenzspektrum hinweg und sie trägt zu diesem Profil bei. Diese Energieverteilung definiert demzufolge den Charakter bzw. die Tonalität eines Tracks.

Tonale Balance wird auch als spektrale Balance bezeichnet und diesen Begriff verwenden wir hier bei sonible. Welchen Begriff du verwendest ist egal, wichtig ist nur, eine gute tonale Balance in deinem Mix zu erreichen, damit deine Musik die besten Chancen hat, in jeder Hörumgebung optimal zu klingen.

Tonale Balance: Ein Beispiel

Unsere Analyse von R&B hat gezeigt, dass ein typisches ausbalanciertes Profil stark in den Bassfrequenzen startet, bei rund 400Hz abfällt und dann graduell in Richtung High-End ansteigt. Wir sehen eine Anhebung bei rund 10kHz und dann folgt ein rapider Abfall der sehr hohen Frequenzen.

true:level zeigt die tonale Balance des Genre-Profil 'R&B'

Genre-Profil ‘R&B’

Ein typisches Profil von klassischer Musik zeigt eine ausgeglichene Energie im Bassbereich bis etwa 400Hz, einen graduellen Abfall bis ca. 3kHz, was die Klarheit von Aufnahmen fördert – und fällt dann kontinuierlich ab.

true:level zeigt die tonale Balance des Genre-Profil 'Classical"

Genre-Profil ‘Classical’

Was ist eine „gute“ tonale Balance?

Wenn etwas ausbalanciert ist, dann sind seine Elemente richtig oder effektiv arrangiert. Der Schlüssel zum Finden von Balance ist es, Proportionen zu beachten und zu verstehen, wie sich individuelle Komponenten zueinander und im Gesamtbild verhalten. Tonale Balance in einem Mix verlangt ein dynamisches Zusammenspiel zwischen konkurrierenden Frequenzen und Frequenzbereichen.

Ein aufschlussreicher Vergleich ist der von weißem Rauschen und rosa Rauschen. Während in weißem Rauschen jede Frequenz die gleiche Energie enthält und dabei harsch und blechern in unseren Ohren klingt, enthält bei rosa Rauschen jedes Oktavband das gleiche Maß an Energie  – damit klingt es ausbalancierter, wenn auch nicht schön. Bei rosa Rauschen verringert sich also der Pegel je höher höher die Frequenz ist.

true:level zeigt die tonale Balance von weißem Rauschem

Weißes Rauschen

true:level zeigt die tonale Balance von rosa Rauschen

Rosa Rauschen

Diese Art von Verlauf sehen wir typischerweise auch, wenn wir von Musik mit einer „guten tonale Balance“ sprechen – die Bassfrequenzen sind am lautesten und das Frequenzspektrum fällt in Richtung High-End langsam ab.

Wenn diese Proportionen zu stark abweichen, beispielsweise die Höhen zu laut sind und ein Mangel an Energie im Bassbereich herrscht, ist der Klang ungewohnt. In diesem Fall würde das dünne Low-End dafür sorgen, dass der Track energielos klingt und das überbetonte High-End führt zu einer Ermüdung der Ohren.

Niemand von uns hat immer eine perfekt kalibrierte Wahrnehmung der tonalen Balance eines Tracks. Darum gibt es Metering Tools wie true:balance, die uns detaillierte, objektive Einblicke ermöglichen. Mit dem Balance Check im Plug-in, das die spektrale Verteilung deines Signals analysiert und dir text-basierte Vorschläge basierend auf der gewählten Referenz macht, kannst du deinen Track gezielt verbessern.

true:balance macht Vorschläge zur Verbesserung der tonalen Balance

true:balance macht Vorschläge zur Verbesserung der tonalen Balance

Die tonale Balance justieren

Es ist zwar schön und gut, wenn man weiß, dass ein Track tonal nicht ausbalanciert ist, aber wie geht man weiter vor? Jetzt heißt es, Ärmel hochkrempeln und die Probleme im Mix beheben. Das bedeutet, Änderungen im tonalen und dynamischen Verhalten von Tracks so vornehmen, dass sie dem gewünschten Klangbild entsprechen.

Einer der offensichtlichsten Wege ist der Einsatz eines EQs. Identifiziere problematische Bereiche in deinem Mix mit Hilfe deiner Ohren und/oder eines visuellen Analysetools. Bearbeite nun jene Frequenzbereiche, die für unangenehme Resonanzen sorgen oder ungewollte Charakteristiken im Mix hervorrufen und löse Kollisionen zwischen konkurrierenden Klangquellen im selben Frequenzbereich auf.

Du kannst Instrumente für sich bearbeiten, jedoch sollte dein Hauptaugenmerk nicht darauf liegen, wie sie individuell klingen, sondern welcher Sound sich durch die Kombination miteinander ergibt. Betrachte diese Vorgehensweise als eine Art „Reverse Engineering“: Du arbeitest dich rückwärts durch deinen Mix, damit du die Probleme, die für eine suboptimale tonale Balance sorgen, ausfindig machen und beheben kannst.

Du kannst die tonale Balance nicht nur mit einem EQ bearbeiten. Auch mit anderen Tools, wie Kompressoren, ist es möglich, die Bearbeitung auf unterschiedliche Frequenzbereiche einzugrenzen oder den Klang ganz einfach mit mehr oder weniger Kompression zu verändern.

Tonale Balance im Mixing

Egal, ob du ein Projekt laufend mischst oder zuerst jede notwendige Aufgabe abgeschlossen haben musst, bevor du sich ans Mixen machst: die tonale Balance deines Tracks zu verstehen ist ein entscheidender Teil eines professionellen Ergebnisses. Im Mixprozess stellst du tonale Balance her, indem du jedem Element den Platz gibst den es braucht, um seine Rolle erfüllen zu können – jedoch ohne dabei andere Elemente zu verdrängen oder für unnötige Dominanz in einem Frequenzbereich zu sorgen.

Beispielsweise kämpfen die Kickdrum und die Bassgitarre gerne um ihren Platz im Low-End. Ein üblicher Trick ist es, eine Frequenz in einem Track anzuheben, während man die exakt gleiche Frequenz im anderen Track herausnimmt. Wo genau man dieses Absenken und Anheben vornimmt, kann man von den Einblicken ableiten, die man von Meteringtools wie true:balance erhält.

true:balance analysiert ein Signal mit harschen oberen Mitten

true:balance mit harschen oberen Mitten

Die Eigenschaften eines Tracks sollten immer im Kontext des gesamten Mixes und mit einem Blick auf alle möglichen Bearbeitungsoptionen beurteilt werden. Bei zu viel Energie in den oberen Mitten, solltest du dir etwa die Hi-Hats genauer ansehen und hier bestimmte Frequenzen mit einem EQ zähmen. Ein EQ ist jedoch nicht immer das richtige (und einzige) Tool. Bei perkussiven Bässen ist EQing vielleicht nicht die richtige Antwort, da diese Klänge bei einer Kompression mit der falschen Attack-Zeit sehr leicht Energie verlieren können.

Tonale Balance im Mastering

Das Ziel von Mastering ist es, die guten Charakteristiken eines Mixes hervorzuheben und Defizite zu korrigieren. Im Mastering ist es sehr selten, direkt in den Track-Stems arbeiten zu können. Stattdessen muss die tonale Balance im Stereomix durch präzise Eingriffe mit EQ und Kompressor optimiert werden.

Da eine “optimale” tonale Energieverteilung viel mit der Erwartungshaltung der Zuhörenden zu tun hat, sind Genre-basierte Referenzkurven hervorragend dafür geeignet deinen Mix zu vergleichen. true:balance ermöglicht es dir, entweder bis zu 8 Referenztrack hochzuladen oder aus einer Liste an Genrereferenzen auszuwählen, die mit einer umfassenden Analyse von Audiodateien und jahrelanger Mixing-Erfahrung generiert wurden.

true:balance mit mehreren Referenztracks

true:balance mit mehreren Referenztracks

Wenn du true:balance in deinen Mastertrack lädst und die tonale Balance mit einer Referenzkurve vergleichst, liefert dir das Plug-in die wichtigsten Kennwerte. Mittels Zielindikatoren bekommst du sofort einen Eindruck davon, wie weit dein Track von der gewählten Referenz abweicht.

Tonale Balance ist kein Katalog an statischen Anforderungen für das Mastering – sie hängt stark von der natürlichen Dynamik eines Tracks ab und ist auch davon beeinflusst, ob der Track Teil einer EP oder eines Albums ist. Ein Mangel im Low-End ist weitaus weniger bedenklich in einer Strophe als im Refrain, wenn der Track beispielsweise groß und imposant klingen soll.

Die richtige tonale Balance für deinen Track finden

Obwohl eine visuelle Darstellung der Analyseergebnisse eine hervorragende Orientierungshilfe sein kann, um die Elemente und Bereiche ausfindig zu machen, die die tonale Balance beeinträchtigen, solltest du immer auch im Kopf behalten, dass auch Subjektivität und Kontext eine entscheidende Rolle spielen. Gäbe es nur einen Weg, um tonale Balance festzumachen, würde am Ende alles gleich klingen und das wünscht sich niemand.

Beiß dich also nicht an deinen Referenztracks und Zielkurven fest, sonst geht die natürliche akustische Signatur deines Mixes verloren. Dein eigener Geschmack ist ultimativ das, was deine Musik auszeichnet und einzigartig macht – also lass dich auch immer von deinen Ohren und dem, was sich für dich gut anhört leiten.