Seit 22 Jahren tourt Tom Wiggans, FOH Ingenieur und Produktionsmanager, mit Bands auf der ganzen Welt. Erst kürzlich begleitete er Bloc Party und Bombay Bicycle Club auf ihren Touren durch die USA und Amy Macdonald bei ihren Konzerten in Europa. Wenn Tom über seine beeindruckende Karriere spricht, tauchen Namen wie Garbage, Natalie Imbruglia, die Red Hot Chili Peppers, the Cranberries, UB40 und Travis auf. Mit einer solchen Liste an großartigen Künstlern, wäre so mancher versucht, ein bisschen anzugeben. Aber mit Tom gibt es kein Angeben, sondern nur interessante Einblicke und viel Expertise.
Tom‘s Karriere als erfolgreicher FOH Ingenieur entwickelte sich nicht unbedingt auf direktem Wege – die Seitenstraßen schienen ihm weitaus attraktiver zu sein. Als Teenager versuchte er sich im Gitarrenspiel, doch der Enthusiasmus für das Instrument hielt nicht lange an: „Ich kam nie darüber hinaus eigenartige Geräusche zu machen“. Was ihn jedoch wirklich faszinierte waren Effekt-Pedale und andere Audiogeräte. Also entschloss er sich für ein Studium der Elektronik und Elektrotechnik. Jedoch stellte sich heraus, dass es nicht ganz das war, was er sich vorstellte: „Ich hasste Elektrotechnik. Mich interessierten Audio-Anwendungen und solche Dinge und keiner meiner Lektoren hatte Interesse daran“. Nichtsdestotrotz war die Entscheidung an die Universität zu gehen die Richtige: „Ich war stark in die technische Abteilung der Studentenvereinigung eingebunden – das war eine Art Studenten-geführtes Unternehmen für Licht- und Tontechnik. Sehr zum Nachteil meines Studienfortschritts. Ich brauchte vier Jahre für ein 3-jähriges Studium.“
Ganz unten anfangen
Während Tom’s Tätigkeiten für die Studentenvereinigung lernte er einige Mitarbeiter der Firma SSE Audio Group kennen. Das Unternehmen bot Services für die Live-Event Industrie an und Tom bekam dort einen Job. „Ich arbeitete hin und wieder für 3,75 Pfund pro Stunde dort und kehrte den Boden, baute Lautsprecherboxen und so weiter. Weil ich Springer war, durfte ich eines Tages als Aushilfe zu Shows mit. Es war eine großartige Gelegenheit das ganze Equipment kennenzulernen. Danach versuchten sie es mit mir bei Festivals und später auf Tourneen.“
Im Jahr 1999 war Tom bereits Assistenztechniker für Garbage, Natalie Impruglia und die Red Hot Chilli Pepers. „Ich begann als Monitortechniker, wollte aber immer Bands mischen. Wenn du als Techniker arbeitest, betreust du die Person, die die Bands mischt. Rückblickend war das ein sehr guter Schritt, weil ich hinter Personen stehen durfte, die richtig gut in ihrem Job waren und ich dadurch viel lernen konnte. Selbst, wenn sie Fehler machten habe ich daraus etwas gelernt – es ist alles Wissen.“
UB40 war die erste Band für die er als FOH Ingenieur arbeitete und das dank einer der Direktoren von SSE, der an Tom’s Fähigkeiten glaubte. „Aufgrund der Beziehung, die er mit UB40 hatte, war die Band nicht darüber besorgt, für wen ich zuvor mischte. Sie sagten ‚Wenn er sagt, dass du es drauf hast, dann reicht uns das.‘ Vorher hingegen konnte ich keine Gigs bekommen obwohl ich so viel Erfahrung als Techniker hatte – aber halt keine Erfahrung im Live-Mixing.“ Sein Arbeitsverhältnis mit UB40 dauerte 5 Jahre und viele Bands folgten.
Kommunikation zahlt sich aus
Über seine Rolle, wenn Tom mit Bands auf Tournee ist, sagt er: „Offensichtlich bin ich dort, damit sie gut klingen, aber ich bin auch derjenige, der objektiv ist und alle glücklich macht.“ Vor allem Letzteres ist ein ziemlich hoher Anspruch, besonders wenn man bedenkt, wie viele Personen bei einer Show mitwirken. Vom Equipment bis hin zur sozialen Kompetenz – es gibt einige Dinge, die für Tom entscheidend sind, damit das tatsächlich gelingt. „Technische Ausstattung mit der man vertraut ist, hilft beim Mixen einer Show. Aber wirklich entscheidend ist zu wissen was passieren muss, wer was spielt und wie. Du musst die Songs und Arrangements ziemlich gut kennen. Dieses Wissen ist wichtiger als alles andere.“
Um herauszufinden, wie ein Song klingen soll, bezieht sich Tom auf die Studioaufnahmen der Band. Jedoch stellt er sicher, dass das Arrangement nach wie vor etwas ist, was die Band will. „Ich habe keine Angst davor mit der Band darüber zu diskutieren, weil das Arrangement für den Live-Auftritt oft absichtlich anders als auf dem Album sein soll – besonders wenn ein größerer Abstand zwischen Studioaufnahme und Tour besteht.“
Feedback ernst nehmen
Bei Gigs macht sich Tom viele Notizen und versucht danach so viel Feedback wie möglich von der Band zu bekommen. „Was ich schnell gelernt und von Anfang an gemacht habe, ist meinen Livemix aufzunehmen und ihn nach dem Gig der Band zu geben. Als ich das bei der ersten Show mit UB40 machte, bekam ich eine gehörige Standpauke zu vielen Dingen.“ Anstatt sich auf eine Diskussion einzulassen, holte Tom sein Notizbuch und hielt alle Kommentare fest. Am nächsten Abend, nachdem die Band die Aufnahmen der zweiten Show hörte, wurde klar, dass Tom alle Kommentare berücksichtigt hatte. „Das sorgt für eine Vertrauensbasis mit der Band, die auch das Management oder sehr einflussreiche Personen haben.“
Vertrauen und Selbstsicherheit aufbauen
„Während eines Gigs ist der FOH Ingenieur der konsistenteste Beobachter aus einer Publikumsperspektive“, beschreibt Tom. Seit 22 Jahren tourt er mit Bands und war Teil unglaublich guter Shows, deren bleibender Eindruck seiner Erfahrung nach nicht immer dem Sound zuzuschreiben ist. Er erklärt: „Ich denke, wenn Shows unvergesslich sind, dann hat das was mit der Reaktion des Publikums zu tun. Es ist der Vibe.“ Deswegen sind seine Prioritäten ganz klar wenn es um Vibe vs. perfektem Sound geht. „Es ist mein Job, Wege zu finden wie man Probleme wie Übersprechen handhabt, aber ich erhalte lieber den Vibe als alles zu unterdrücken. Als FOH Ingenieur bist du grundsätzlich dafür zuständig, dass sich die Band keinen Kopf über die technischen Dinge machen muss. Die Bandmitglieder sollen ihre Show spielen und sich darauf verlassen können, dass da jemand ist, der sie im Publikumsraum repräsentiert, der weiß um was es für sie geht und der sein Bestes für sie gibt.“
Tom’s größte Herausforderung ist es, mit sich selbst im Wettbewerb zu stehen: „Es ist sehr selten, dass ich eine Show genieße während ich arbeite. Ich bin normalerweise so auf das fokussiert, was passiert und wie ich darauf reagiere, dass ich nur danach entspannt sagen kann „Ja, das war eigentlich sehr gut.“ Er gesteht, dass er lange Zeit dafür brauchte, selbstsicher sagen zu können, dass er die richtigen Entscheidungen trifft. Die ermutigenden Worte und das Vertrauen jener Künstler, die ihn engagierten haben ihn schlussendlich davon überzeugt, dass er wirklich gut in seinem Job ist.
Wenn Tom Anekdoten über chaotische Gigs, zeitkritische Situationen und gelungene Zusammenarbeit erzählt, wird eines offensichtlich: Kommunikation und Vertrauen gehen Hand in Hand. Beides macht seine Arbeit um einiges einfacher – das und das richtige Equipment.
Die richtige Quelle
„Man sollte immer sicherstellen, dass die Quelle korrekt ist. Wenn du die richtige Quelle hast, ist weit weniger Aufbereitung nötig“, rät Tom. Für ihn war die Entdeckung unterschiedliche Mikrofone zu verwenden ein wesentlicher Schritt. „Ich verwende viele Mikrofone von DPA, aber nicht nur. Ich bin sehr spezifisch, wenn es um die Verwendung der richtigen Mikrofone geht.“
Darum ist auch immer seine Mikrofon-Sammlung mit im Gepäck, wenn er auf Tour geht. Was er noch mitnimmt: Waves MultiRack und, wenn er den Luxus hat, das SD 9 Mischpult von DiGiCo. „Das SD 9 passt einfach zu meinem Workflow. Es ist klein und mit ihm bin ich nicht der Typ, der den ganzen Platz im FOH Tower auf Festivals braucht.“ Tom erklärt, dass der einzige Nachteil des SD 9 die Konnektivität ist. „Ich verwende es mit einem SD-Rack durch eine optische Verbindung, was bedeutet, dass dort drei MADI Anschlüsse sind, zwei sind Twisted Pair und eines BNC. Früher sind mir also ständig die I/Os ausgegangen. Ich zeichne die Show immer mehrspurig auf, damit ich sie mir später anhören kann.“ Vor kurzem wurde der MADI Medienkonverter, Splitter und Router ml:mio von sonible Teil seiner technischen Ausstattung. „Mit ml:mio kann ich plötzlich zwei Twisted Pair Anschlüsse nutzen. Ich kann die DiGiCo-eigenen Formate, die ziemlich nutzlos waren, in voll funktionsfähige MADI Anschlüsse verwandeln – es ist fantastisch.“
Mehr Optionen
Der Grund warum Tom bevorzugt MADI verwendet ist einfach: Mit dem AES Standard muss er sich keine Sorgen um herstellerabhängige und sich ständig ändernde Protokolle machen. „Ich habe ml:mio ausprobiert und dachte mir ‚Was für eine kleine unglaubliche Box!‘ Wenn ich jetzt mit einem Standard SD 9 arbeite und keinen Waves Anschluss habe, verwende ich meinen ersten Twisted-Pair Anschluss über eine ml:mio und optischem MADI für das live Rack; der zweite Twisted-Pair Anschluss geht via einer zweiten ml:mio und BNC-Verbindung in meine DiGiCo MGO, die Teil eines Netzwerks ist und das Waves Zeug zum Laufen bringt. ml:mio gibt mir so viele Optionen.“
Tom’s Tipps für aufstrebende FOH Ingenieure
Man könnte annehmen, dass es einfacher ist ein FOH Ingenieur in einem kleinen Club zu sein, als in einer Arena mit einer Kapazität von 15.000 Personen und mehr. Tom, der beides sehr gut kennt, sagt dazu: „Wenn man damit beginnt Bands live zu mischen, dann macht man das sehr wahrscheinlich in kleinen Veranstaltungsorten mit schlechter Akustik – vor allem wenn sie leer sind. Die verwendete technische Ausstattung und die Mikrofone sind eventuell nicht so gut und die Chancen sind hoch, dass auch die Band nicht so gut ist. Was man aber nie vergessen sollte: Es wird besser. Meiner Meinung nach ist es in akustischer Hinsicht einfacher in einer Arena zu mischen als in einem kleinen Club. Die PA-Anlage ist besser und die Räumlichkeiten auch.“