Jeder Hall besteht aus denselben Bestandteilen: direktes Signal, erste Reflexionen, frühe Reflexionen und Hallfahne. Jeder von ihnen liefert unserer Wahrnehmung unterschiedliche Informationen. Wir zeigen dir, warum Hall nicht nur ein schöner Effekt sondern maßgeblich für unsere Wahrnehmung ist und was beachtet werden sollte, wenn in der Audioproduktion mit Hall gearbeitet wird.
Die Komponenten von Hall bestimmen wie unser Gehirn das interpretiert, was wir hören. Beispielsweise geben uns die frühen Reflexionen einen umfassenden Eindruck vom Raum (dessen Größe und Geometrie), den Oberflächen darin und wie weit weg die Schallquelle ist. Die Hallfahne hingegen, sorgt für Einbettung, Einhüllung und bestätigt, was wir anhand der frühen Reflexionen interpretiert haben. Wenn wir Hall in der Audioproduktion verwenden, sollten wir das im Hinterkopf behalten. Beginnen wir aber mit den grundlegenden Dingen. Wir haben im Folgenden die Bestandteile von Hall und ihre technischen Aspekte aufgeschlüsselt (mehr dazu im Artikel “Welche Rolle spielt Nachhall in der Audioproduktion?“)
Erste Reflexion
Jede Reflexion, die auf unser Trommelfell binnen 10ms nach dem Direktsignal trifft, wird mit dem ursprünglichen, direkten Signal kombiniert. Diese ersten Reflexionen verstärken das Signal und fügen Klangfarbe hinzu – jedoch können sie auch ungewollte Kammfiltereffekte produzieren. Da sich Schall mit ca. 343 m/s bewegt, hat er nach 10ms rund 3,5 Meter zurückgelegt.
Frühe Reflexionen
Audioreflexionen, die unser Ohr 10ms bis 50ms nach dem Direktsignal erreichen, geben uns viele Informationen über den Raum – seine Größe, Oberflächen und Hinweise auf seine Form. Die zeitlichen Unterschiede zwischen den frühen Reflexionen und dem sich verbreitenden Hall lassen uns auch einschätzen, wie weit wir von der Schallquelle entfernt sind.
Nachhall
Reflexionen, die später als ~ 50 ms nach dem Direktsignal eintreffen, sind typischerweise Teil des sogenannten Nachhalls (auch als Decay oder Hallfahne bekannt). Die Hallfahne bettet den ursprünglichen Klang in eine Geräuschkulisse ein und kann ihn, wenn sie stark genug ist, unkenntlich machen. Der klangliche Charakter des Nachhalls ist auch stark von den reflektierenden Eigenschaften der Oberflächen in der Umgebung abhängig.
In Anbetracht dieser Eigenschaften der unterschiedlichen Hall-Komponenten, kann es beim Mixen oft ziemlich zeitaufwändig sein, die richtigen Parameter für den gewünschten Halleffekt zu finden. Außerdem geht es bei Hall zu einem großen Teil auch darum, ein Gefühl zu vermitteln. Technische Aspekte und gefühlsbezogene Intentionen zusammenzubringen kann knifflig sein. Mit Hall kann man viel gewinnen aber es gibt auch viele Dinge, die man vermeiden sollte.
Das Ziel aus den Augen verlieren
Wenn wir mit einer neuen Kreation beginnen haben wir meist eine Idee davon, wie sie klingen soll. Schwieriger ist (es?) bei dieser Idee zu bleiben. Man kann in allen Teilen seines Workflows das Ziel aus den Augen verlieren und Hall ist hier absolut keine Ausnahme. Indem man sich durch Listen an Halltypen wühlt um die perfekte Variante zu finden, verschwimmt die Idee schnell. Das endet meist darin, dass man viel Zeit in etwas investiert, das der ursprünglichen Vision nicht mehr entspricht.
Unschlüssige Parameter
Mit einer ästhetischen Vision im Kopf und keinem Preset, das wirklich passt, bleibt dir nichts anderes übrig, als sich der unterschiedlichen Hall-Parameter anzunehmen. Die gegenseitige Abhängigkeit von Parametern macht das Ganze nicht einfach, da du praktisch ein Gefühl durch Eigenschaften wie Größe, Decay, Typ, Ausbreitung etc. beschreiben musst. Unser Gehirn ist dabei ein strenger Kritiker: es sagt uns klar, dass etwas nicht stimmt, wenn die Hall-Komponenten in sich nicht schlüssig sind. Das ist besonders dann der Fall, wenn Dinge natürlich klingen sollten.
Trübe Gewässer
Hall ist ein entscheidender Effekt, hat aber auch viel Potenzial deine Kreationen extrem schnell schwammig zu machen – und das beginnt schon beim Eingangssignal. Wenn du einen Halltypen verwendest, der nicht zum Quellmaterial passt, kann Hall störende Resonanzen verstärken und deinen Track trüb klingen lassen. Das endet oft in Maskierungen und einem verschmierten Direktsignal. Nehmen wir einen Gesangstrack als Beispiel: Ist die Hallfahne zu lange, zu dicht und ohne genug Pre-Delay, wird das Signal verschwommen klingen. Der Gesang klingt dann unpräzise, unverständlich und verliert im Endeffekt, was mit Hall hätte gewonnen werden sollen: Glanz und Präsenz.