Spektrale Verarbeitung ist eine Technologie, die wir in fast all unseren Plug-ins einsetzen und auch bewerben, aber wie funktioniert sie eigentlich? Und was sind die Vorteile dieser Technologie?
Hinweis: Wir haben smart:EQ 3 durch smart:EQ 4 ersetzt! Der intelligente Equalizer sorgt für spektrale Balance und bietet eine noch ausgeklügeltere Gruppenansicht, Auto-Gain, Dynamic Standard-Filter,… und vieles mehr.
Als digitale Systeme schnell genug wurden, um Audio problemlos zu verarbeiten, war Multibandverarbeitung das neue „coole Ding“. Anstatt ein Tool zu haben, das eine Reihe von Prozessen auf das gesamte Signal anwendet – z. B. einen Kompressor – konnte man das Signal nun in Bänder aufteilen, in der Regel vier, und für jeden Bereich des Frequenzspektrums unterschiedliche Einstellungen festlegen. Dadurch erhielt man plötzlich mehr Kontrolle und bessere Ergebnisse.
Die heutigen Prozessoren können jedoch vielmehr als nur ein Multiband Szenario verarbeiten. Theoretisch sind sie in der Lage hunderte oder tausende Bänder gleichzeitig zu bewältigen. Doch mit dieser Skalierung tritt auch ein Problem zu Tage: die Parametrisierung. Die Programmierung eines Multiband Kompressor dauert zwar länger als bei einem Kompressor mit einem Band, der Aufwand ist aber vertretbar. Aber zweitausend Bänder? Dafür werden wir neue Systeme benötigen.
Glücklicherweise ist es heutzutage vor allem die Aufgabe des Entwicklers, bei der Erstellung von Systemen für die spektrale Verarbeitung die Parameter für die vielen Bänder zu managen und zu steuern. Der Endnutzer muss sich in der Regel nicht damit befassen.
Der Schlüssel zur spektralen Verarbeitung: die Regeln
Es gibt also tatsächlich einen Weg auf beiden Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen: mehr Bänder zu haben und diese gleichzeitig einfacher programmieren zu können als einen Multiband Kompressor mit vier Bändern. Da die vielen Bänder bestimmten Regeln unterliegen, wird jedes Band automatisch parametrisiert. Das bedeutet zwar mehr Aufwand für den Entwickler, erleichtert aber das Leben für Anwender enorm.
Bei sonible wurde die spektrale Verarbeitung so abgestimmt und verfeinert, dass sie in jeder Anwendung anders reagiert. Jeder Effekt – egal ob smart:comp 2, smart:limit oder andere Plug-ins – hat ein genau abgestimmtes Setup von Bändern, um die passenden Eingriffe durchführen zu können und dabei die Klangqualität zu verbessern. So machen alle Tools ihre Verarbeitung etwas unterschiedlich, folgen jedoch den gleichen Grundprinzipien.
Wie funktioniert also die spektrale Verarbeitung?
Wie die spektrale Verarbeitung beginnt
Das menschliche Gehör ist das Herzstück beim Hören von Musik. Sollte es also nicht auch das Herzstück der Tools sein die bei der Erstellung von Musik eingesetzt werden? Spektrale Verarbeitung verfolgt genau diese Philosophie.
Audioeffekte werden grundsätzlich in kleinen Zeitabschnitten berechnet, wobei unser Gehör bestimmte Änderungen in unterschiedlichen Frequenzbereichen verschieden wahrnimmt. Spektrale Verarbeitung passt sich also dem Gehör an, indem es das Eingangssignal durch eine Methode wie die Fourier-Transformation in verschiedene „Bins“ (Frequenz-Container) aufteilt.
Diese Bins sind erstmal linear verteilt – bei einer Auflösung von 10Hz gibt es beispielsweise einen Bin, der die Frequenzen zwischen 30Hz und 40Hz abdeckt, aber auch einzelne Bins die Frequenzen zwischen 1.010Hz und 1.020Hz abdecken. Da das menschliche Ohr aber natürlich eine deutlich geringere Frequenzauflösung für höhere Frequenzen besitzt, werden die Bins zu Bändern gruppiert, welche dann tatsächlich analysiert und bearbeitet werden.
Kampf der Bänder
Die einzelnen Frequenzbänder werden also von den Bins abgeleitet. Aber wie wählen wir aus welche Bins in welche Bänder einfließen, und wo?
Wie genau die Bänder über das Frequenzspektrum verteilt werden hängt von der Anwendung ab. Jedoch gibt es eine allgemeine Faustregel: höhere Frequenzen sind weniger leicht für unser Gehör wahrzunehmen und erfordern in der Regel weniger Bänder, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen; bei niedrigen Frequenzen ist meistens das Gegenteil der Fall. Außerdem reagiert unser Gehör fast immer besonders empfindlich bei Frequenzen zwischen 100Hz und 500Hz – also dem Bereich für die Grundfrequenz der menschlichen Stimme und vieler Instrumente. Bei den meisten spektralen Eingriffen von sonible gibt es deshalb eine höhere Auflösung der Bänder in diesem Bereich.
Weitere Möglichkeiten um Bänder aufzuteilen
Die Bänder in einem sonible Plug-in mit spektraler Verarbeitung können sich sogar durch das Eingangssignal verändern. Je nachdem welches Profil man ausgewählt hat oder welches Audiomatrial analysiert wird, kann das Plug-in mehr oder weniger empfindlich auf verschiedene Frequenzbereiche reagieren.
Neben der Anzahl der Bänder gibt es noch die Frage, wie die Bänder über die Frequenz verteilt werden sollten und wie die Energie eines Bandes bei unterschiedlichen Lautstärken gewichtet wird? Sollten die Bänder durch eine psychoakustische Skala wie die Mel-Skala oder die Bark-Skala getrennt werden? Auch hier kommt es wieder auf die Anwendung drauf an – ein Kompressor und ein Reverb benötigen möglicherweise unterschiedliche Konfigurationen.
Was sind die Vorteile von spektraler Verarbeitung
Wie bereits zu Beginn erwähnt, besteht ein grundlegender Vorteil der spektralen Verarbeitung darin, dass sie gleich arbeitet wie das menschliche Gehör und den Klang für die Verarbeitung in verschiedene Frequenzbereiche aufteilt, anstatt Berechnungen direkt auf die Wellenform des Signals anzuwenden.
Da die gesamte Audiomanipulation im Frequenzbereich stattfindet, ist die spektrale Verarbeitung ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wir Klang tatsächlich interpretieren und hören. Die Auflösung kann an kritischen Punkten im Frequenzbereich höher sein, während die Auflösung dort geringer ist, wo sie aufgrund unseres Gehörs oder der angestrebten Verarbeitung weniger wichtig ist.
Wir können durch spektrale Bearbeitung auch in ein Audiomaterial eingreifen und dabei Dinge entfernen oder verändern, die bei bestimmten Frequenzen auftreten, ohne alles andere zu beeinflussen.
Dennoch muss man vorsichtig sein, wenn man die Möglichkeiten der spektralen Verarbeitung nutzt. Durch den Eingriff in den Sound, kann es passieren, dass man etwas entfernt, was nicht beabsichtig war. Aus diesem Grund müssen die die Systeme hinter der spektralen Verarbeitung sorgfältig aufgebaut sein.
Wie spektrale Verarbeitung in sonible Plug-ins funktioniert
Um zu veranschaulichen, wie die spektrale Verarbeitung in einem sonible Plug-in funktioniert folgen einige technologische Beispiele aus der Praxis.
Beginnen wir beim smart:EQ 3, welcher mehr als 100 Bänder nutzen kann, um unterschiedliche Instanzen zwischen den Spuren zu analysieren und anschließend eine Entscheidung zu treffen, wie sich jeder einzelne EQ verhalten soll.
Bei smart:reverb haben hingegen 30 Bänder ausgereicht, um ein gutes Ergebnis bei der Erzeugung eines Hallprofils zu erzielen, welches sich der Charakteristik des Eingangssignals anpasst. So finden wir in jedem Plug-in ein optimales Gleichgewicht zwischen der Anzahl der Bänder und der Prozessorauslastung, ohne dass die Qualität der Ergebnisse darunter leidet.
Könnte man in das Innere von smart:comp 2 blicken, würde man über 2000 Bänder für die spektrale Verarbeitung finden. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Transienten im Frequenzspektrum erkannt werden und auch der Bassbereich vollständig erfasst und kontrolliert werden kann. Die Analysestufe von smart:comp 2 erfordert hier übrigens eine genauere Bandauflösung als die Gain-Reduction Stufe, in der die Ergebnisse dieser Analyse angewendet werden.
Die Zukunft von spektraler Verarbeitung
In den letzten Jahren hat sich die spektrale Verarbeitung zu einer praktikablen, effektiven und kreativen Lösung für die Musikproduktion entwickelt. Wir bei sonible sind froh, dass wir Pionierarbeit für diese zukunftsweisende Technologie geleistet haben, die von unserer KI in vielen Anwendungsfällen genutzt wird.
Da auch andere Entwickler die Leistungsfähigkeit der Spektralverarbeitung erkennen und neue Einsatzmöglichkeiten und Ideen für die Technologie vorantreiben, sind wir auf das gespannt was als Nächstes kommt – und werden auch weiterhin selbst an immer neuen Möglichkeiten arbeiten.