Ein Kammfilter entsteht, wenn bestimmte Frequenzen durch die Überlagerung von Direktschall und ersten Reflexionen durch eine positive Überlagerung verstärkt werden und andere Frequenzen durch eine negative Überlagerung abgeschwächt werden.
Die Überlagerungen führen zu periodischen Auslöschungen und Überhöhungen im Spektrum und erzeugen ein metallisches Klangbild. So werden Stimmen durch Kammfilter zum Beispiel harsch und scharf, da wichtige Anteile im Grundtonbereich ausgelöscht werden.
Besonders störend sind Kammfilter, wenn sie sich zeitlich verändern – das passiert dann, wenn sich die Schallquelle (zum Beispiel ein Musiker) oder das Mikrofon während einer Aufnahme bewegt. Durch die Bewegung verändern sich die ersten Reflexionen laufend und der Kammfilter beginnt im Spektrum zu wandern. Dieses zeitlich veränderliche Abschwächen und Verstärken unterschiedlicher Frequenzanteile nennt sich „Phasing“.
Pro-Tipp: Da es sehr schwierig und manchmal unmöglich ist, Kammfilter und Phasing-Effekte nachträglich zu entfernen, sollte man sie schon während der Aufnahme vermeiden, um beim Mixing nicht vor unlösbaren Problemen zu stehen.
Kritisches Zeitfenster für Kammfilter
Die Ausprägung des Kammfilters hängt vom Zeitpunkt des Eintreffens der ersten Reflexionen ab. Liegen die stärksten Reflexionen unter 2 ms, ist die Ausprägung nicht so störend, da vor allem hohe Frequenzen vom Kammfilter betroffen sind. Je näher der zeitliche Abstand bei 10 ms liegt, desto weiter wandert die erste Auslöschung des Kammfilters in den Grundtonbereich und desto problematischer wird der Kammfilter-Effekt.
Kommen die ersten Reflexionen später als 15 ms, schafft es das menschliche Ohr, die beiden Schallereignisse (Direktschall und Reflexion) voneinander zu trennen. Der Klangeindruck von Kammfiltern wird schwächer und verschwindet irgendwann komplett, wenn der zeitliche Unterschied zwischen dem Auftreffen der beiden Schallereignisse groß genug wird.
Wie man die Distanz zum Mikrofon richtig berechnet
Es ist recht einfach, den Abstand zwischen den einzelnen Kerben (engl.: “Notches”) des Kamms zu berechnen. Wo die Dämpfung im Frequenzspektrum liegt, sagt uns, wie weit die Fläche vom Mikrofon entfernt ist, die die störenden Reflexionen produziert.
Der Abstand fd der Zähne ergibt sich aus der Laufzeitdifferenz dT zwischen dem Direktschall und der störenden Reflexion, die den Kammfilter erzeugt:
fd = 1/dT (dT = Laufzeitdifferenz)
Die erste Kerbe f1 liegt bei 0.5 fd, alle weiteren liegen im Abstand fd darüber. Das heißt, wenn eine Reflexion 2 ms später ankommt, liegt der erste Zahn bei 250 Hz, der zweite bei 750 kHz, der dritte bei 1,25 kHz und so weiter…
fd = 1 / 0.002 (2 ms) => fd = 500 Hz
f1 = 250 Hz | f2 = 750 Hz | f3 = 1250 Hz | …
Schall hat bekanntlich eine Geschwindigkeit von 340 Metern pro Sekunde. Also 2 ms Verzögerung bedeuten 70 cm Abstand und 15 ms 5 Meter Abstand. Die “gefährliche” Distanz zu eine reflektierenden Fläche liegt somit zwischen 0,7 und 5 Meter. Hier können schnell ungewollte Kammfiltereffekte auftreten.
Kammfiltereffekt! Was nun?
Unerwünschte Kammfiltereffekte können bei der Aufnahme also am besten vermieden werden, indem man Zeitunterschiede zwischen Direktschall und ersten Reflexionen entweder möglichst klein oder groß hält. Um sich dies leichter vorstellen zu können, rechnen wir diese Laufzeitdifferenz in eine Wegdifferenz um. Im Bereich der 9 ms bis 12 ms sprechen wir von Wegdifferenzen von drei bis vier Metern.
Im Klartext: Befinden sich Wände oder andere Oberflächen in der Nähe des Mikrofons oder des Instruments, sollten diese möglichst gut akustisch bedämpft werden (zum Beispiel mit Akustikschaumstoff), damit Reflexionen so wirksam wie möglich vermieden werden. Eine andere Möglichkeit ist es, die Position von Sänger oder Instrument und Mikrofon so zu verändern, dass möglichst wenige Reflexionen in den kritischen Zeitbereich zwischen 10 ms und 15 ms fallen. Hierzu gibt es zwei Ansätze: Entweder möglichst nah ran an die Grenzfläche, die störende Reflexionen verursacht, oder möglichst weit weg davon.
Der Blog-Beitrag ist ein Exzerpt des Artikels „Ent-Hall-tsamkeit – Was ist Hall und wie wird man ihn los?“ von Ralf Baumgartner. Der Gastbeitrag ist im Original in recording magazin 2/15 erschienen.