Warum gibt es so viele MADI Varianten?

Juni 17, 2016 | Know-how

Dieser Artikel bringt ein wenig Licht in die Welt der unterschiedlichen MADI Verbindungen und Formate. Die Idee dazu entstand während der Entwicklung unseres neuesten Produktes ml:mio, einem MADI Medienkonverter, der sich als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Varianten der Schnittstelle sieht.

In den späten 80er Jahren wurde der Ruf nach einem einfachen seriellen Multikanalformat immer deutlicher. Innerhalb der Audioindustrie formulierte sich der Wunsch nach einem modernen, digitalen Übertragungsprotokoll, welches in der Lage sein sollte, mit minimalem Aufwand mehrere Audiosignale gleichzeitig zu senden. Ziel war es, eine öffentlich zugängige und herstellerunabhängige Alternative zu damaligen digitalen Multicore-Lösungen zu finden, da diese meist sowohl teuer als auch fehleranfällig waren. Im Jahre 1989 startete schließlich die Entwicklung einer solchen Lösung und führte 1991 zur Veröffentlichung des ersten MADI-Standards.

Die Mitglieder des AES Komitees für Standardisierung setzten schon früh auf bereits existierende und entsprechend bewährte, digitale Übertragungstechnologien (FDDI) als physischen Träger. Als Träger kann man hierbei das Medium verstehen, über das die Informationen von der Quelle zur Senke transportiert werden sollen. Auf diesen Träger wird dann der eigentliche Stream aufmoduliert, der nach Anwendung der notwendigen Kodierungen (4B5B, NRZI) die eigentlichen Daten überträgt. Der Aufbau dieses Streams gestaltet sich hierbei wie folgt (der Übersicht halber etwas vereinfacht):

Zwei 24bit PCM Audio Samples mit gleichem zeitlichen Bezugspunkt werden im weit verbreiteten AES3 (AES/EBU) Format in einen Frame enkodiert. Frame bezeichnet an dieser Stelle den kleinsten, gültigen Block in einem AES3 Stream. Je nach Variante werden entweder 28 oder 32 solcher AES3 Frames mit den Daten der anderen Kanäle aneinandergereiht und die restlichen, verbleibenden Zeitslots im MADI Frame mit sogenannten Synchronisationsmarkern aufgefüllt. Diese Marker dienen der Orientierung des Empfängers im Stream und können darüber hinaus durch geeignete Anordnung zusätzliche Steuerdaten transportieren. Die für nicht-audiobezogene Daten reservierte Bandbreite beträgt etwas über 1Mbit/Sek. und erlaubt die Einbettung von beispielsweise MIDI oder ganz allgemeinen Steuersignalen für den Empfänger.

Wird diese Bildungsvorschrift für einen MADI Frame mit der Samplerate des Audiomaterials wiederholt, bilden die so immer wieder aneinandergereihten Frames einen vollständigen und gültigen MADI Stream.

infografik encapsulation of madi stream

 

Obwohl für den MADI Standard mehrere Konfigurationsmöglichkeiten für Kanalanzahl und Abtastraten definiert sind, trifft man in freier Wildbahn überwiegend auf die 64Kanal/48kHz, bzw. 32Kanal/96kHz Varianten. Dies hat vermutlich damit zu tun, dass diese Kombinationen eine möglichst effiziente Nutzung der verfügbaren Bandbreite und ein Maximum an verfügbaren Kanälen erlauben.

Der simple MADI Algorithmus generiert einen sehr robusten und einfachen Stream, der kaum zusätzliche Konfiguration für die simultane Übertragung von Audio und Steuerdaten benötigt. Die Idee dahinter ist letztendlich die Möglichkeit, einen MADI Ausgang ganz einfach mit einem entsprechenden Eingang zu verbinden, ohne sich dabei viele Gedanken machen zu müssen.

In Anbetracht der seit gut zwei Jahrzehnten vorherrschenden paketbasiertenDatenübertragung mag es ungewohnt erscheinen, einen ununterbrochenen Stream zu senden. Doch genau dieser Ansatz eignet sich hervorragend für Übertragungen in quasi-Echtzeit, da so der Umweg einzelne Pakete bilden zu müssen entfällt. Damit treten Probleme die sich erst durch die Übertragung von Paketen ergeben (packet jitter, packet loss etc.) erst gar nicht auf. Durch den minimalen Overhead von MADI können die Übertragungslatenzen minimiert werden und darüber hinaus Laufzeiten absolut garantiert werden!

Bei all diesen Vorteilen ist die Übertragungsdistanz von MADI – rein prinzipiell – unbegrenzt; der einzig limitierende Faktor ist die jeweils genutzte Übertragungsinfrastruktur. So sind selbst mehrstellige Kilometerdistanzen ohne zusätzliche Hubs, Switches oder Router problemlos möglich.

Aufgrund der relativ einfachen Implementierung und guten Nutzbarkeit des Standards wurde MADI so rasch zu dem präferierten mehrkanaligen Audioübertragungsformat, das sich weltweit und herstellerübergreifend etablieren konnte.

Über die Jahre wurde MADI etwas vielseitiger, zum einen bestand der Bedarf an herstellerspezifischen Erweiterungen, mit denen beispielweise die Engeräte konfiguriert werden konnten, zum anderen kam ein neuer Steckverbinder (RJ-45) für bidirektionale Verbindungen hinzu. Während es im Standard Andeutungen zum Transport von Kontrollinformationen über zusätzliche Symbole gab, war die konkrete Implementierung derartiger Lösungen de facto den jeweiligen Herstellern überlassen. Da naturgemäß jeder Hersteller eigene Anforderungen hatte, führte das unweigerlich zur Entwicklung unterschiedlicher proprietärer Protokollerweiterungen.

 

Verschiedene Marken, verschiedene Anschlüsse

MADI connector types

Zur Übertragung von MADI Streams können unterschiedliche Medien genutzt werden – im MADI Standard sind zwei davon definiert: 75-Ohm BNC Stecker sowie SC Lichtwellenleiter. Während die Option des BNC Steckers aufgrund seiner Robustheit für bedenkenlos im rauen Alltag möglich ist, war die Verwendung des SC-LWL Verbinders nie außerhalb von Rechenzentren angedacht. Glücklicherweise können die SC-LWL Stecker ohne viel Aufwand zu deutlich stabileren Anschlüssen konvertiert werden, da die Übertragungswellenlänge von 1300nm mit anderen Standards in der Kommunikationsindustrie kompatibel ist. Die SC-Steckverbindung wird jedoch nach wie vor als der MADI Standard angesehen.

Da ein Stream immer nur Daten in eine Richtung transportiert, werden für eine Duplexverbindung zwei Übertragungskabel benötigt. In vielen Situationen muss man damit immer zwei Kabel legen, so dass sich mehrere Hersteller dazu entschieden zwei MADI-Streams mit entgegengesetzten Richtungen in einem CAT-Kabel zu kombinieren. Als Steckverbindung wurde RJ-45 gewählt, da sich diese bereits zum de facto Standard für Kommunikationslösungen in der Netzwerktechnik verbreitet hatten. So konnte relativ einfach das Legen eines zweiten Kabels bei Duplexverbindungen eingespart werden. Da es seitens der AES abseits des BNC Steckers keine Vorschläge oder Vorschriften gab, implementierte jeder Hersteller seine eigene Lösung – die nicht mehr mit den Produkten anderer Hersteller kompatibel war. Da sich im Herzen jeder dieser Varianten aber oft noch der altbekannte, standardisierte Stream versteckt, ist eine Rückkonvertierung zu “echtem” MADI in aller Regel möglich.

 

Die Zukunft

MADI Converter sonible ml mio

Derzeit (2016) arbeitet das AES Komitee für Standardisierung an einem Anhang für die gegenwärtigen MADI Norm, der die empfohlene Übertragungsweise für Twisted Pair Medien allgemein beschreibt (MADI-TP). Man muss jedoch davon ausgehen, dass mit dieser Erweiterung ein Wechsel des derzeitigen (4B5B) Kodierungsschemas einhergehen wird und die Kompatibilität zu den bestehenden Lösungen damit wesentlich aufwändiger wird.

Erwähnenswert ist, dass es nach derzeitigem Stand keine Pläne gibt, die maximale Anzahl an übertragbaren Kanälen durch eine Steigerung der Trägerfrequenz zu erhöhen – obwohl das von einem technischen Standpunkt her angebracht wäre. Ein Vergleich der Übertragungsraten von MADI (0,125Gbit/Sek.) und artverwandter koaxialer Videoübertragung (derzeit bis zu 12Gbit/Sek.) zeigt, dass in der Leitung noch viel Potential steckt.